1. Mai 2021 von Fanak Mani & Marion Takhi
Ixi, Putzi, Linda, Max, Oma, und wie sie alle heißen, die seit über 20 Jahren im Möbelhaus Lutz leben, verkörpern in ihren Steckbriefen auf der XXX Lutz Website Klischees. Und für Diversity haben sie auch nicht viel übrig.
So schätzt etwa die 23-jährige Ixi (Haarfarbe blond), Modetrends, Katzen, Shoppen und Backen (Präzisierung: Cupcakes). Mutter Linda, 52 wiederum, hat eine Schwäche für – man staune – ausgefallene teure Schuhe und alles aus Frankreich. Sohn Putzi, 25, sieht zwar angepasst aus, ist aber cool, denn er mag Hip-Hop (wahrscheinlich sein guilty pleasure). Heimlich war er schon zwei Mal in seiner Lieblingsstadt London! Ein Rebell, der in seine Freundin Ixi und Regal-Systeme verliebt ist. Oma Putz ist „unkonventionell“, genießt Nordic Walking, Johnny Cash und liebt ihre Sneakersammlung: Sie verkörpert die funky grandma.
Abgesehen von den enervierenden Klamauk-Spots, stellt sich die Frage, warum keine Menschen mit diversem Background in dieser Familie vertreten sind, wissend, dass in Wien etwa, jede zweite Person Migrationshintergrund hat. Wir geben zu, diese Familie wäre uns sympathischer, wenn sie die Diversität der Gesellschaft widerspiegeln würde. Was wäre, wenn Putzi Ixi wegen Amira verlassen hätte, oder sein Coming-out nicht in seinem Regal-System abstellt, sondern auf einer Teppich-Landschaft bei der Familie seines neuen Freundes Omar. Max hätte was mit Oksana am Laufen und Lindas Frankophilie beschert ihr eine französische Liebhaberin. Oder Oma Putz, die coole Socke, wäre im siebten Sofa-Himmel mit ihrem neuen Begleiter aus Martinique. Soundtrack: Balkan Pop, Zouk, Rai. Wenn schon Klischees, dann wenigstens kosmopolitisch.
Wenn Werbeagenturen aber eine Bubble von – nicht sehr diversen – Menschen sind, nimmt man sich offenbar dem relevanten Thema Diversity-Marketing nicht an, und verpasst so die Chance neue Zielgruppen zu aktivieren, deren Kaufkraft kontinuierlich steigt. Sichtbarkeit ist der Game Changer.
5. März 2021 von Fanak Mani
Richtig gesehen! Das ist kein Inserat für Pornhub, sondern ein Sujet für vegane Nahrungsergänzungsmittel der Pharmafirma „Gall Pharma“ Austria. Eine grell geschminkte, junge schwarze Frau hält mit geschlossenen Augen eine geschälte Banane an ihr Gesicht, dicht an ihren halbgeöffneten Mund. Die Headline erklärt wie der Akt vollzogen wird: vegan. Subtil geht anders.
Interessanterweise lautet die Begründung des österreichischen Werberates – neben der Aufforderung zum sofortigen Stopp der Kampagne –, Geschlechterdiskriminierung. Was wir hier sehen ist eindeutig Porno-Ästhetik, was der Werberat jedoch nicht erwähnt, ist die Mehrfachdiskriminierung. Eine schwarze Frau mit einer Banane – Symbol von afrikanischen Kolonialwaren – abzubilden, ist zutiefst rassistisch. Die entwürdigende Ikonographie die hier verbreitet wird, löst Fassungslosigkeit aus. Man hatte sich wohl gedacht: Sex sells. Eine „sexy Lady“, viel Make-up, eine Banane als Requisite und eine zweideutige, schlüpfrige Headline: fertig ist das sexistisch-rassistische Sujet – nicht ambivalent, sondern als offene Inszenierung.
28. Februar 2021 von Fanak Mani
In Österreich kann man sich dem Meinl-Mohr und in Deutschland, dem Sarotti-Mohr, dem kindhaften Zauberer mit Pumphose und Turban, nicht entziehen.
Der Sarotti–Mohr, 1919 von Julius Gipkens gestaltet, wurde in unendlichen Variationen gedruckt: als Poster, Inserat, Verpackung, Figurine. Das Maskottchen gilt sogar als die am weitesten verbreitete kommerzielle Ikone der deutschen Geschichte. Ein Bild, das Millionen Menschen gesehen haben. Dieses nicht sehr originelle Stereotyp, mit grellen roten Lippen, rundem Kopf, unbestimmter Reife, war der obligatorische graphische Code der Zeit, eine Kommerz-Ikone, die ihren Ursprung in der deutschen Kolonisierungsgeschichte hat. Sowohl das Meinl– als auch das Sarotti Logo wurden im selben Jahr (2004) neu gestaltet und die Hautfarbe beider Figuren wurde durch die Farbe Gold ersetzt. Jedoch muten sie wie Alibilösungen an. Sie beinhalten immer noch das kindliche Element, die orientalisierende Bekleidung- und Kopfbedeckung, sowie bei Meinl, die devote Haltung. Sie stellen zögerliche, inkonsequente Lösungen dar. Zudem werden sie immer noch „Meinl-Mohr“ oder „Sarotti-Mohr“ genannt und sind Symbole für irritierenden Alltagsrassismus. Typische koloniale Codes machen diese Logos aus, doch sie werden beharrlich von den Unternehmen ignoriert.
Ein Logo, das seit mehr als einem Jahrhundert existiert, darf und soll in Frage gestellt werden. „Das war immer schon so“ ist eine – im wahrsten Sinne des Wortes – faule Ausrede. Faul, weil man sich durchaus anstrengen kann, zu einem Paradigmenwechsel beizutragen. Es ist höchste Zeit, beleidigende rassistische Symbole oder Begriffe, wie „Mohr im Hemd“, „Negerbrot“, „Zigeunerschnitzel“ u.v.a. zu ersetzen. Ulrich Seidls grandiose Filmszene aus „Paradies Liebe“ zeigt die Abgründe zweier österreichischer Sex-Touristinnen in Kenia, mit dieser ikonischen Frage an den Barman der lokalen Beach Bar: „You know, you look like ze Meinl-Mohr. You know ze Meinl-Mohr?“
4. März 2021 von Fanak Mani
Ein Erfolg der #BlackLivesMatter-Bewegung ist, dass das Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung in der Öffentlichkeit zugenommen hat.
Es findet ein Diskurs in der Gesellschaft statt, der auch Spuren in der Werbewelt hinterlässt. Als Konsequenz ändern die großen Konzerne heute endlich ihre Logos und Produktmarken, die das Narrativ der weißen Sklavenhändler von der „guten alten Zeit“ unterstützen. Im Juni 2020, nach George Floyds Ermordung, kündigte Quaker Oats an, den Markennamen von Aunt Jemima zu ändern: „Change the product name in an effort to make progress toward racial equality.” Aunt Jemima heißt seit Februar 2021, nach 131 Jahren, The Pearl Milling Company – allerdings ziert der Aufkleber „New Name Same Great Taste Aunt Jemima“ die Verpackung – berichtet die New York Times. Die neu etablierte Pearl Milling Company habe sich zusätzlich dazu verpflichtet, über eine Million USD in „Empowerment“ von schwarzen Mädchen und Frauen zu investieren. Noliwe Rooks, Autor und Professor an der Cornell University, findet – zu Recht –, dass diese Finanzierung direkt, in eine von schwarzen Frauen geführte Werbeagentur fließen sollte, die Quaker Oats zu ihren Branding- und Werbeplänen in Zukunft verpflichtend konsultieren müsse. Wir finden das auch!
Die Figur der Aunt Jemima
R.T. Davis, der Gründer von Aunt Jemima entschied in den 1890er Jahren sein Produkt zu vermarkten, in dem er eine lebende Aunt Jemima-Figur kreierte: mit Nancy Green, einer 59-jährigen Frau und in die Sklaverei geborenes Dienstmädchen, die in Live-Performances ihre Kochkünste zum Besten gab und dafür zur „Pancake Queen“ gekürt wurde. Eine seltene Studie aus den 1920er Jahren über die Reaktionen schwarze Verbraucher*innen zu Aunt Jemima Werbeinseraten, offenbart allerdings schon negative Assoziationen zu den Themen „Sklaverei und Plantagen“, sowie zur unterwürfigen Rolle und physischen Darstellung der Figur der Aunt Jemima. Das bedeutet, dass Firmeninhaber, sowie Marketing-Verantwortliche, sich der Ambivalenzen und Ablehnung einer gesellschaftlichen Gruppe bewusst waren und dennoch mit der stereotypen Darstellung weiterarbeiteten – ohne Rücksicht auf Sensibilitäten, auf die Erniedrigung, die das Transportieren solcher Bilder mit sich bringt. Kritik aus den 1950er Jahren zu Aunt Jemima von Malcolm X und Eldridge Cleaver von der Black Panther-Bewegung ist dokumentiert. Im Laufe ihres Markenlebens hat Aunt Jemima einige Makeovers durchgemacht, dennoch wurden die rassistischen Stereotype nie gänzlich fallengelassen.
25. Februar 2021 von Fanak Mani
Am 23. September 2020 kündigte MARS an, die Marke “Uncle Ben‘s“ in „Ben‘s Original“ zu ändern und sich der rassistischen Ikonographie zu entledigen.
„Uncle“ evoziert die Ära der Sklaverei in den U.S.A: um die höfliche Anrede „Mr“ zu umgehen, wurden Schwarze mit „Boy“ oder „Uncle“ angesprochen. In seinem Statement im September 2020, verspricht das Unternehmen Mars, dass es Aktionen für mehr Inklusion und Gerechtigkeit setzen wird: „to create opportunities that offer everyone a seat at the table.“ Die Darstellung des Uncle Ben, mit dem Bild des älteren, ergebenen Dienstboten wird durch eine typographische Lösung ersetzt: Mars entschied sich letztlich für eine reine Wortmarke, so das Statement des Konzerns. Der Spagat zu einer neuen Bildmarke wäre vermutlich kein einfacher gewesen.
Allmählich kommt die Rassismus-Debatte auch in den großen Unternehmen an, und die öffentliche Auseinandersetzung wird – zumindest in den U.S.A – seriös geführt.
1. März 2021 von Fanak Mani
Mavie Hörbiger bekommt eine Absage „weil man sich für eine jüngere Kombination entschieden habe“. Sie ist 41. Die Harvard-Ökonomin und neue Chefin der Welthandelsorganisation wird hingegen als „Großmutter“ betitelt.
Gender Ageism, Altersdiskriminierung, Age Bias, trifft vor allem Frauen. Sie werden doppelt diskriminiert, aufgrund ihres Geschlechts und ihres Alters. Ständig unter Druck einem jungen, perfekten – alterslosen – Erscheinungsbild zu entsprechen, stellen Schauspieler*innen teilweise in ihren Dreißigern, 50-jährige Frauen dar. Augenscheinlich wird man als Frau jenseits der 50 unsichtbar: eine erwachsene Frau ist also irrelevant für das Publikum und ihr existentieller Wert hängt von ihrer „Fuckabilty“ ab. Ein geriatrischer James Bond hingegen, in Begleitung von blutjungen Frauen, ist immer gern gesehen.
Die neue WTO Direktorin Ngozi Okonjo-Iweala wurde von der Schweizer Aargauer Zeitung auf ihre Rolle als „Großmutter“ reduziert. Okonjo-Iweala, Harvard- und MIT-Absolventin, ehemalige Finanz-, Wirtschafts- und Außenministerin von Nigeria und erste Afrikanerin an der Spitze der WTO, wurde mit der Headline „Diese Grossmutter wird neue Chefin der Welthandelsorganisation“ auf perfide Weise degradiert, ihre außergewöhnliche Karriere ignoriert. Die Subheadline ist auch nicht zu verachten: „Die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala hat riesige Probleme zu bewältigen. Mindestens kommunikativ wird sie das problemlos meistern.“ Zwei Sätze voller Stereotype.
Man fragt sich ob man beispielsweise nach der Ernennung von World Bank Präsident David Malpass getitelt hätte: „Dieser Großvater wird neuer Chef der World Bank.“
124 Botschafter*innen, Vize Botschafter*innen und Leiter*innen von internationalen Organisationen in Genf haben ihren Unmut über diesen Artikel in einem Protestschreiben am 26. Februar 2021 kundgetan. Die Entschuldigung der Aargauer Zeitung, dass der Titel „keinesfalls in böser Absicht“ entstanden sei, klingt so platt wie ein schlechter Faschingsscherz.
27. Februar 2021 von Fanak Mani
Die Modemarke Gucci präsentierte – zum „Black History Month“ 2019 – ein Kleidungs-Design, das alle Register von rassistischen Stereotypen durchspielt.
Breite, rote Lippen, die auf einem schwarzen Rollkragenpullover gedruckt, durch ein Loch den Mund der Träger*in freimacht: er mutet sowohl wie ein Kleidungsstück aus einer Fetisch-Kollektion, als auch ein Symbol von Unterwerfung an. In der Modebranche, eine Industrie, die mit ihren Magazinen eine enge Beziehung zu Rassismus und kolonialen Bildwelten unterhält, sind schwarze Menschen unterrepräsentiert – sowohl als Models, als auch hinter den Kulissen. Es scheint verblüffend, dass die Designer*innen nicht wussten, mit welchen diskriminierenden graphischen Motiven sie gestalteten.
Sind wir in Mad Men Land steckengeblieben? Weibliche Vorbilder fehlen in der Kreativ-Branche: Creative Direktor*innen als Mentor*innen.
2. März 2021 von Marion Takhi nach einem Märchen von Tarek Leitner
„Übers Gendern lässt sich selten launig diskutieren“ schreibt Tarek Leitner im profil. Ich lese das mit Freude, denn selten weht einem so viel kalter Wind entgegen, wie bei Diskussionen übers Sichtbar-Machen der weiblichen Wortformen. „Militant“ werde ich schon mal von Freunden genannt, wenn das Thema auf den Tisch kommt, oder „mühsam“. Der gesprochene Genderstar wird mit „stimmlosen glottalen Plosiv“ bezeichnet, die kleine kaum hörbare Pause vor der weiblichen Form des Nomens. Also zum Beispiel Lehrer – Pause – innen. Tarek Leitner bezeichnet ihn als die einzig konsequente Form, den Ansprüchen gendergerechter Sprache nachzukommen. Applaus, Applaus.
Es kostet weniger Zeit, als beide Formen zu nennen, weist aber dennoch deutlich genug darauf hin, dass mit dieser Wortform, sowohl die männliche, als auch die weibliche Version genannt wird. Wir hatten zu viele Beispiele an „Vorbildern“ in den letzten Jahren gehört, die es lächerlich fanden, auch die großen Töchter in der Bundeshymne zu besingen.
Also danke, Tarek Leitner, von mir gibt’s dafür eine Eins. (profil online, 9.1.2021)
28. Februar 2021 von Fanak Mani
„Oralverzehr – schneller kommst Du nicht zum Samengenuss“ oder „Hast Du schon mal einer hässlichen Freundin, die total lieb ist, ein Date besorgt?“
So mancher „Marketing-Spezialist“ findet die Kampagnen von True Fruits „genial“, „humorvoll“, „authentisch“. Und, dass True Fruits die Komfortzone verlassen würde, und ihre Kampagnen das Gegenteil von spießig wären. Ja, man redet davon. Man redet oft und viel über Provokation, das macht die Sache nicht ansatzweise genial. Die True Fruits Kampagne gehört zu der perfidesten Sexismus- und Rassismus Sorte, die derzeit auf dem Markt ist. Einen schwarzen Smoothie bewirbt das Unternehmen mit „Schafft es selten über die Grenze“, „Quotenschwarzer“ oder „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland“. Das schwarze Produkt wurde zwar wieder aus dem Sortiment genommen, begründet mit dem Wortspiel „es sei das schwarze, bzw. weiße (?) Schaf der Familie“ und „Seinetwegen haben wir uns oft schwarz ääähh weiß geärgert“, sowie, dass „die ständigen Fehlinterpretationen ihnen auch auf die Nerven gehen würden“ Fehlinterpretationen? Was für eine Verhöhnung. Hier gibt es nichts zu interpretieren.
Ein anderes Beispiel, das Produkt „Sun Creamie“ mit Geschmackrichtung Pfirsich-Maracuja, das mit diesem Sujet beworben wird: ein mit Sonnencreme gezeichneter Penis auf dem nackten Rücken einer jungen Frau, Headline „Sommer, wann feierst Du endlich Dein Cumback? #warmegedanken“. True Fruits hat offenbar noch nie von Sexismus, Rassismus, Porn-Ästhetik, gehört, würde man meinen. Sagt man was dagegen, wird gepoltert und behauptet, dass man humorlos wäre. Typische Antworten, wenn diskriminierende Werbung kritisiert wird.